2013, Interview in 'Palette & Zeichenstift'

Monika Kaiblinger
Und ewig lockt das Weib

Interview: Eva Grossmann
erschienen in der Zeitschrift Palette Nr. 108, 4/2013

Monika Kaiblinger wird seit 1984 von meiner Galerie (Galerie Voigt, Nürnberg) vertreten. Ihr malerisches Potenzial und die sprühende, lebendige Farbigkeit Ihrer Bilder haben mich von Anfang an begeistert. Eine faszinierende Frau und Künstlerin.

Monika, du bist seit über 25 Jahren erfolgreiche Malerin. Gleichzeitig bist du Bauchtänzerin und leitest das ‚Zentrum für Orientalischen Tanz' in München. Was bedeutet für dich die Malerei, was der Tanz?
Ich brauche das Tanzen, um malen zu können. Und ich brauche die Malerei, weil ich sonst gar nicht wüsste, was ich tun sollte. Malen und Tanzen sind meine Berufe. Schöner kann ich es mir eigentlich gar nicht vorstellen, und ich bin auch sehr dankbar dafür. Durch den Bauchtanz bekomme ich das Körpergefühl, das ich auch in meinen Bildern ausdrücke. Das eine befruchtet das andere. Und außerdem ist für mich der Bauchtanz der Schlüssel zur Sinnlichkeit - etwas ganz Wichtiges in meiner Malerei.

Tänzerinnen - ein Motiv, das in deinen Bildern häufig auftaucht
Ich beschäftige mich seit langem auch mit anderen exotischen und erotischen Tänzen. Neben dem Bauchtanz habe ich auch afrikanischen, balinesischen und indischen Tanz ausprobiert. Auch Hula, Charlston und Cancan. Da liegt das Motiv der tanzenden Frauen natürlich nahe. Ich habe mich so intensiv mit meinem Körper und den Bewegungen des Tanzes beschäftigt, dass ich mich beim Malen von Tanzenden schon beinahe in die Leinwand ‚hineinschlängeln' kann...
Besonders fasziniert mich die Kraft und Energie des afrikanischen Tanzes. Die sinnliche Üppigkeit schwarzer Frauen, die vollen Lippen, die ausladenden Hinterteile, dieses Urbild der Weiblichkeit. Und dann die schönen Farben und Muster der afrikanischen Stoffe...daraus sind viele Bilder entstanden.
Mein aktuelles Tanz-Mal-Thema ist gerade Burlesque - Damen in Korsage und High-Heels - früher nannte man das ‚Künstlerischer Ausdruckstanz'. Dita von Teese hat vor einigen Jahren diese Vintage-Bewegung wieder in Schwung gebracht. Ich tanze das nicht selber, aber ich schau mir jede Show an, einfach hinreißend, und manchmal echt schräg. Aber vor allem sinnlich und verführerisch. Und wie beim Bauchtanz verleiht auch hier die Distanz zum Zuschauer der Tänzerin gleichzeitig Schutz und Macht.

... und das zieht sich auch als Thema durch deine Bilder: Die Frau als Femme Fatale, deren weibliche Stärke in der Verführungskraft liegt
'Bad Girls' - eine Bilder-Serie, die mich seit vielen Jahren beschäftigt. Das sind verruchte, verhängnisvolle Frauen, freche Mädchen, die sich nehmen, was sie brauchen, die fordern, provozieren. Gefallene Engel, Frauen am Rand der Gesellschaft, Prostituierte. Aber immer schön und verführerisch. Ein Wunschbild, das in vielen Frauen steckt, aber oft nicht so raus kann. Ich projiziere dieses Wunschbild in die Figuren auf meinen Bildern. Meine Frauen sind aber nur scheinbar Lustobjekte, sie sind gewappnet und gegebenenfalls bereit zum Kampf. Meist sind es die Blicke, die Versprechungen verheißen, die provozieren, taxieren, locken. Zu Schlitzen verengt oder weit geöffnet durch den Betrachter hindurchschauend. Und dieser Blick in die Leere ist manchmal auch ein Blick in die Seele, in die eigene Befindlichkeit, meine Befindlichkeit.

...also sind deine Frauen auch verletzbar
Keine Frau ist immer nur stark. Es gibt auch Verletzungen, Wünsche und Träume. Ich versuche, diese Zerbrechlichkeit zum Ausdruck zu bringen, in den Gesichtern oder der Haltung. Dazu gehört auch die ewig dienende Haltung beim Putzen oder Kochen. Bilder: 9 – 10
Es gibt dann noch die versteckten Aggressionen, die im Inneren brodeln und raus müssen. Dann lasse ich meine Frauen auf der Leinwand herumschießen, ihre Männer anschreien, oder sie mit dem Absatz des Stöckelschuhs malträtieren. Leinwand ist geduldig... In meiner Serie ‚Bandidas' habe ich mich da ausgetobt. Angeregt durch den gleichnamigen Film mit Penelope Cruz wurden meine Bad Girls zu ‚Very Bad Girls', die sich mit Pistolen, Spritzen, Scheren und Krokodilen zur Wehr setzen. Eine alte Beziehungskiste habe ich mit dem Bild ‚Fifty ways to leave your Lover' beendet. Da pinselte ich ohne Mühe 50 Möglichkeiten zur Beseitigung unliebsamer Lebensgefährten auf die Leinwand. Das Bild habe ich mehrfach als Print an ebenfalls frustrierte Damen verkauft.
Es heißt ja, in jedem Menschen steckt ein Mörder. Ich morde auf der Leinwand ...wahrscheinlich bin ich deshalb im normalen Leben so eine friedfertige, freundliche, ausgeglichene Person ....

Du malst dich also immer selbst
Mein Ausgangspunkt ist immer meine eigene Befindlichkeit, und die projiziere ich in die Frauen auf meinen Bildern. So ist jedes Bild ein Teil von mir, gemaltes Leben, eine Art Tagebuch. Auch wenn die Frauen auf meinen Gemälden immer andere Personen darstellen, so haben alle etwas von meiner Seele, von meiner momentanen Gefühlslage. Auf diese Weise wird für mich die Malerei auch zu einem Ventil. Die Stimmung auf dem Bild ‚Pasta Furiosa' zum Beispiel bedarf ja keiner weiteren Erklärung. Natürlich bin ich keine allzeit wutbereite Furie, und so kommt es, dass an Tagen, an denen ich nicht super wild drauf bin, auch kein superwildes Bild zustande kommt. Es funktioniert einfach nicht. Dann muss ich meine Protagonistin auf einen Stuhl setzen und sich ausruhen lassen. Mittlerweile habe ich das erkannt und akzeptiert.
Ich denke, dass letztlich jede/r Maler/in Seelenbilder malt, sei es in Form von Landschaften, Stilleben, Abstraktem, oder eben Figuren. Immer ist das eigene Ich darin versteckt: im Motiv, im Pinselstrich, in der Auswahl der Farben.

Männer kommen in deinen Bildern eher selten vor
Wenn sie nicht gerade attackiert werden, dann sind sie im Hintergrund, an den Rand geschoben, in eine passive Rolle gedrängt. Man darf das allerdings nicht falsch verstehen, ich bin keine Männer-Hasserin. Ich bin glücklich zum zweiten Mal verheiratet. Meistens aber ist einfach kein Platz mehr für Männer auf dem Bild. Ihr Platz ist eher vor dem Bild, als Betrachter, der angelockt und dann mit seiner Phantasie alleine gelassen wird.

Du hast eine Serien von Stars gemalt
Fast alle Menschen lieben Stars, unbewusst identifizieren wir uns mit ihnen und wünschen, dass etwas von ihrem Glanz auf uns abfällt. So wahrscheinlich auch bei mir - ich liebe die alten Filme, in denen Frauen so weiblich, schön und verführerisch waren.
Angefangen hat es mit dem Buch ‚Blond' von Joyce Carol Oats, ein Roman über das Leben von Marilyn Monroe. Das Buch hat mich zu einer ganzen Serie von Marilyn-Bildern inspiriert. Anfangs wollte ich die schöne, goldene Marilyn malen, aber dann entstand mein erstes Bild ‚The Last Sitting'. Es zeigt Marilyn mit einer hässlichen Operationsnarbe auf ihrem Bauch. Und unbewusst hat mich wieder diese Mischung aus Glamour und Verletzlichkeit berührt, die wohl vielen Stars innewohnt. Auch Janis Joplin und Amy Winehouse haben ihren Ruhm nicht verkraftet. Starke Frauen in ihrer Zerbrechlichkeit - darin finden sich, ebenso wie ich, viele Frauen wieder.

Wie entstehen deine Bilder?
Meistens beginne ich mit dem Hintergrund. Da ich meine Leinwände immer farbig grundiere, habe ich schon mal einen Farbton, auf den alle weiteren Farben reagieren können. Oft male ich mich dann zunächst frei. Farben, auf die ich gerade Lust habe, Flächen, Linien, Punkte, Verwischungen, Lasuren. Ich setze die Farben und auch die Helligkeiten und Dunkelheiten allerdings sehr bewusst neben- und übereinander. Je nach momentaner Stimmung werden die Pinselstriche unruhig und hektisch oder zart fließend. Dabei kommt dann eine Art abstraktes Bild heraus, auf das ich schließlich mein Hauptmotiv setze.
Die Frauen, die zu meiner jeweiligen Stimmung passen, finde ich überall: in Zeitschriften, Büchern, in Filmen, im Internet... Auf youtube kann man sich ja fast alle Filme anschauen. Ich sitze dann mir dem Fotoapparat vor dem Bildschirm und nehme auf, was mich so ‚anspringt'. Manchmal begegne ich auch auf der Straße einem ‚Gesicht'. Die Frauen lassen sich meist gerne fotografieren. Ich ‚leihe' mir oft ein Gesicht, das ich dann im Gemälde auf einen anderen Körper setze.
Die Figuren kommen dann zeichnerisch oder in Farbflächen gleich auf meine Leinwand, werden wieder und wieder mit dem Hintergrund verwoben, übermalt und wieder draufgesetzt. Manche Stellen des Untergrunds bleiben stehen, andere verschwinden, neue Farbflächen überlagern das ganze dann wieder usw.
Dabei interessieren mich Räumlichkeit und Perspektive überhaupt nicht. Bereits eine Linie, die hinter der Figur verläuft, ist eine räumliche Klärung. Das reicht meistens. In meinen Bildern springt der Hintergrund oft so dominant nach vorne, dass er zum Vordergrund wird. Wichtig ist mir das Verbinden von Figur und Hintergrund.
Für diese Art von spontaner Malerei ist Acrylfarbe natürlich ideal. So kann ich bereits nach Minuten wieder mit dem Übermalen beginnen. Was mir gefällt, lasse ich stehen, was nicht, geht in den Untergrund und kann von dort aus mitwirken.
Da ich keine Skizzen mache, ist jedes Bild ein Kampf. Dadurch kommt aber auch die Vielschichtigkeit zustande, die meine Bilder ausmacht. Am längsten arbeite ich dann an den Augen und am Mund. Da können Millimeter den ganzen Ausdruck verändern. Und wenn alles stimmt, wenn das Bild eine Seele hat, eine Aussage, dann trifft es vielleicht auch den Betrachter in seinem Innersten.
Manchmal entsteht eine Bildidee auch ganz aus der Farbe heraus, wenn mich zum Beispiel die Kombination ‚Gelb und Rosa' gerade unheimlich anmacht. Es kann auch sein, dass ich wie besessen von Rot bin, und dies dann in allen Facetten ausspielen muss. Vor einiger Zeit ist es mir zum ersten Mal passiert, dass ich keine Farben mehr ertragen konnte. Ich habe dann den farbigen Hintergrund einiger Bilder mit viel Weiß übermalt.

Welche Pläne hast du?
Ich habe so viele Ideen, dass ich oft gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Dann bespanne und grundiere ich Leinwände. Ich versuche offen zu sein für Inspirationen, mich nicht auf etwas zu versteifen. Und dann plötzlich packt es mich, und ich male etwas, von dem ich vorher gar nicht wusste, dass ich es auf die Leinwand bringen will.

Vielen Dank für das Gespräch, liebe Monika